Autor: Hermann Lorenz, Regie: Leslie Franke und Herdolor Lorenz
Teil 1: "Erste Schuljahre", 90 Min.
Teil 2: "Die Jugendjahre", 93 Min.
Koproduktion der Kernfilm mit dem NDR in Zusammenarbeit mit ARTE.
Der erste Teil gefördert von der Hamburger Filmförderung und dem Kuratorium junger deutscher Film
- „Kleine Kinder und ihre Sorgen, die nie "klein" wirken, weil die Filmemacher so lebensnah und ungefiltert durchgängig die Perspektive der Kinder einnehmen“,Die Welt
- „Eine einzigartige Langzeitbeobachtung - schon jetzt ein Kultfilm“, Hbger Wochenblatt
- „Für die Zuschauer lohnt sich die Reise durch diese facettenreiche Kinderwelt. In der heutigen Medienlandschaft. steht dieses Langzeitprojektwie ein Solitär“, Filmbewertungsstelle Wiesbaden
- „Das wirklich wahre Leben - Bilder aus dem ungekünstelten Leben der Menschen, man sieht sie nicht oft im Fernsehen. Eine der seltenenGelegenheiten dazu hat man bei dieser einmaligenLangzeitdokumentation »Die Kinder von St. Georg, “,Westdeutsche Allgemeine
- „Eine anrührende und durchaus auch lustige Geschichte“, Le Monde
- „Der Blick auf die Kinder ist dokumentarisch im besten Sinne: beobachtend statt inszeniert, abwartend, nicht wertend. Als habe jemand vergessen, die Stopp-Taste zu drücken, und hinterher erstaunt festgestellt, welche Wundertüte sich auf dem Band verbirgt. .“ Hamburger Abenblatt "
- „Am Ende des Films fällt es schwer, Abschied zu nehmen von dieser Gruppe. Das ist auch eine Leistung des Projekts: dass es wirkliches Interesse an einer Generation vermittelt, die man sich wenn nicht beschädigt, so doch enorm prekär und gefährdet vorstellt." FAZ
Filme über Kinder gibt es viele. Langzeitbeobachtungen zu ihrem Heranwachsen einige wenige. Ein Film, in dem die Kinder selbst ihre Welt und deren Veränderung über die 12 Jahre ihrer Schulzeit beschreiben, bisher noch nicht, jetzt aber erstmals mit „Kinder von St. Georg"!
Herbst 1999, an der Schwelle zum neuen Jahrtausend. Tamim, Freya, Klara, Mitchel und Nevena kommen in die Schule - im Hamburger Bahnhofviertel St. Georg. Sechzehn verschiedene Nationen in ihrer Klasse erstaunen den Zuschauer. Die Kinder aber nicht. Für sie ist das selbstverständlich. Sie kennen nichts anderes. Auch Junkies sind ihnen geläufig, aber das ist nicht wirklich ihre Welt. Diejenige, in die sie uns führen, mag manchen banal und kindlich erscheinen. Wer sich jedoch einzulassen vermag, erlebt Dramen voller Spannung, Höhen und Tiefen.
Den Anstoß zu diesem für Kinder und Filmemacher anspruchsvollen Projekt, über 12 Jahre Schulzeit das Abenteuer ihres Aufwachsens mit der Kamera einzufangen, gab die DDR – Langzeitdoku „Die Kinder von Golzow“. Diese Filmreihe erlaubt Einblicke in die Eigenarten des gesellschaftlichen Lebens der DDR wie kaum ein anderes Dokument aus der Zeit. Auch „Kinder von St. Georg“ zeichnet eine besonderes Bild seiner Zeit – doch dies ist beginnend mit der Jahrtausendwende die Welt des Schmelztiegels verschiedener Kulturen und Lebensweisen in einer kapitalistischen Metropole. Und so sind es hier auch ganz andere Kinder als die von Golzow. Konnte diesen oft nur mühsam Sätze entlockt werden und musste der Filmemacher die Hintergrund-Infos geben, können die Kinder von St. Georg spätestens als 3-Jährige perfekt über sich und ihre Umstände Ausdruck geben. Dies machte das Wagnis möglich zu versuchen, die Welt der Heranwachsenden ausschließlich durch deren Augen zu zeigen. So erleben wir in „Kinder von St. Georg“ auch etwas oft Verdrängtes: Kleine Kinder, ihre Welt, ihre Sorgen sind nie kleiner als unsere, die der Erwachsenen.
Tamim findet es "doof", immer der Beste zu sein und leidet, wenn er von Mitchel und anderen Jungs nicht anerkannt wird. Freya will stets nur zu ihrem Vater ziehen - aufs Land. In St. Georg bei ihrer Mutter sucht und findet sie gern auch mal Streit. Ihre Freundin ist Klara, doch die spielt jetzt nur noch mit Nevena. Und wie ihre neue Freundin möchte Klara nun unbedingt katholisch werden, "wenn es auch blöd ist, dass man dann jeden Sonntag in die Kirche muss". Nevena ist ein Flüchtlingskind und mit ihrem Strahlen die Sonne der von Abschiebung bedrohten Familie. Auch in der Schule ist sie beliebt und übernimmt gern die Führung. Mitchel spielt am liebsten Pokémon, will stets ein "richtiger Junge" sein und sieht in Gott ein Monster. Doch dann wird er gläubig.
Im Jahr 2006 beginnt der zweite Teil der Kinder von St. Georg, DIE JUGENDJAHRE. Tamim, Freya, Klara, Nevena und Mitchel sind dreizehn Jahre alt und mitten in der Pubertät.
Tamim sieht in einer Krise am Ende keine andere Lösung, als sich umzubenennen, in "Felix" - der Name ist ein Programm! Mit 15-16 hat er tatsächlich sein Glück gemacht. Als geübter Fetengänger schart sich ein ganzer Fanclub von Mädchen um ihn. Doch etwas anderes ist ihm noch wichtiger: Die weite Welt sehen. Neuseeland ist da gerade weit genug weg. Er setzt bei seiner Mutter ein Auslandsjahr auf der anderen Seite der Erde durch. Um das zu finanzieren, vermietet sie für das Jahr einen Teil der Wohnung. Mitchel hat mit seinem Gymnasium außerhalb des Stadtteils Pech. Viele Mitschüler sind weitaus älter als er. So wird er früh mit Alkohol und anderen Drogen konfrontiert. Dies stößt ihn ab, er raucht und trinkt nicht und hasst die Schule. Bald schwänzt er oft, und wenn er doch hingeht, stört er den Unterricht ungeliebter Lehrer. Dass er dabei mit den Noten abstürzt, betrübt ihn dann doch. Aber er hat eine Erklärung dafür. Von der kindlichen Welt der Pokémon ist er in die "World of Warcraft (WOW)" geglitten. Er spielt das Internetspiel Stunden und Tage und hat immer Erfolgserlebnisse. Das Erstaunliche dabei: Mitchel analysiert das Spiel als das Verhängnisvolle, was es ist. Als die Eltern eingreifen und ein WOW-Spielverbot verhängen, hört er zwar tatsächlich auf zu spielen. Damit glaubt er sich auch geheilt und ist empört, als er eine Therapie beginnen soll. Er könne aus eigenen Kräfte immer aufhören, sagt er überzeugt. Und der Zuschauer will ihm glauben.... Klara hört auf zu tanzen, und dann auch mit dem Klavierspielen. Obwohl in beidem begabt und ungewöhnlich gut, ist ihr nur eines noch wichtig: mehr Zeit für ihre Freundinnen, fürs Cafe und "Wellnessabende". Nun ist sie auch wieder mit Freya befreundet, möchte aber auch Nevena nicht verlieren - ein Drahtseilakt, der viel Zeit und Energie kostet. Freya will von dem in der Grundschulzeit so sehnsüchtig verfolgten Wunsch, zum Vater aufs Land zu ziehen, nun nichts mehr wissen. Das bunte Hamburg-St. Georg ist jetzt anziehender. Mit ihrer Mutter versteht sie sich jetzt besser. Als einzige der fünf Kinder immer noch gänzlich ungläubig, entscheidet sie sich für die atheistische Jugendweihe und schafft es dabei ihre zerstrittene Familie samt Vater bei der Feier in St. Georg zu vereinen. Nevena hat mit ihrer Familie inzwischen die Aufenthaltsberechtigung in Deutschland. Als einzige der fünf scheint sie die Pubertät ohne erkennbare Probleme zu bewältigen. Sie ist Klassensprecherin und ob ihrer Autorität in der Schule wird sie sogar als Schulsprecherin vorgeschlagen. So ist sie auch die einzige, die es jetzt garnicht weg von zuhause treibt. Zunächst Felix, dann Klara, Freya und schließlich auch Mitchel machen ab 16, 17 Erfahrungen im Ausland und kommen gestärkt zurück in die Heimat.
Ihr Viertel hat sich mittlerweile stark verändert, ist gentrifiziert worden, wie Nevi erklärt. Jetzt haben die Reichen und Schönen das einstige "Schand"-Viertel erobert. Die Junkies und Prostituierten haben die Kinder von St Georg in ihrer Kindheit nie gestört. Direkt neben ihrem Babyhaus war damals ein Puff. Dabei habe man nie etwas Beängstigendes erlebt, sagt Klara. Doch es stört sie gewaltig, wenn heute eine Häuserzeile nach der anderen von der Vielfalt von Geschäften und Menschen "gereinigt" wird. Alle fünf sind stolz, in St. Georg aufgewachsen zu sein.
Doch erst in Barcelona, während seines Zivildienstes, merkt Mitchel, komplett auf sich allein gestellt, manch herben Krisen ausgesetzt, dass er sich auf sich verlassen kann, dass er das todernste Spiel im Internet nicht mehr braucht. Bei seiner Arbeit im Kindergarten lernt er Kinder über alles lieben. Mittlerweile will er sogar Grundschullehrer werden. Wir erleben, wie aus Erstklässler über die Jahre hinweg junge Erwachsene werden, sich Meinungen und Werte ausbilden, Konflikte und Schicksalsschläge formen, Unbefangenheit verloren geht und die Kräfte wachsen.
Am Ende finden alle 5 Kinder ihren Weg durch die Wirren der Pubertät letztlich glücklich zum Abschluss der Schulzeit. Dieser Weg, beschrieben aus der Perspektive der Heranwachsenden, ist für die Zuschauer eine einmalige Zeitreise, von der Dramatik des Lebens mitgerissen. Wir bangen und hoffen mit den Kindern, sind am Ende erleichtert - und auch betrübt, weil es schwer fällt, sich von ihnen zu verabschieden.