Es scheint zunächst wie ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet ein Donald Trump es schafft, erste Verhandlungen zum Ukrainekrieg anzustoßen. Und dennoch ist das kein Wunder: Trump wie auch Putin sind Anhänger einer rechtsradikalen und Demokratie verachtenden Haltung. Die verstehen sich. Am frappierendsten ist aber die Reaktion Deutschlands und Westeuropas. Erst war man beleidigt, bei all dem übergangen worden zu sein. Und dann kam ein aberwitziges Aufrüstungsprogramm, das mit großem Abstand umfassendste seit dem zweiten Weltkrieg. Mit einem Bruchteil dieser vielen hundert Milliarden hätte man so viele Wohnungen bauen und so subventionieren können, dass mit einem akzeptablen Mietpreis die Wohnungskrise in Westeuropa kurzfristig beseitigt werden könnte.
Aber wer will denn das?
Doch wie kam es dazu, dass Westeuropa derart verwirrt und haltlos erscheint? Der Versuch einer Antwort erfordert, einige Jahre zurück zu blicken. Schon Helmut Kohl hatte sich sehr erregt, als die USA nach Gorbatschows Zugeständnissen (Einheit Deutschlands, Unabhängigkeit der einstigen Sowjetrepubliken) massiv weiter an ihrer Ideologie festhielt, mit einem Roll Back Russland immer näher auf die Pelle zu rücken und mit Hochrüstung, das Land wirtschaftlich auszubluten. Das war die Politik der USA seit Reagan mehr oder minder bis Biden. Als Führungsmacht der NATO wurde schon bald erreicht, dass die ehemaligen Ostblockstaaten Polen, Slowakei, Tschechei, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die baltischen Staaten Mitglied der NATO wurden. Seither kann das russische Machtzentrum Moskau in weniger als 5 Minuten von Hyperschallraketen attackiert werden. Daher hatte die russische Führung etwa seit 2010 immer wieder De-Eskalierungsschritte angemahnt, etwa die Zurücknahme der NATO-Truppen direkt von der russischen Grenze. Vor allem warnte sie vor einem NATO-Beitritt der Ukraine, was die Vor-Warnzeit vor westlichen Raketen noch einmal um ca. 2 Minuten verkürzt hätte.
Russland in der Klemme
All diese russischen Bedenken ignorierte die USA stets. Verhandlungen auf Augenhöhe verweigerte sich die Führungsmacht der NATO gänzlich. Stattdessen investierten US- amerikanische Konzerne und die Regierungsinstitutionen selbst massiv in die Ukraine seit den 90er Jahren in der Hoffnung, die ukrainische Bevölkerung von der westlichen Lebensart zu überzeugen. Zusätzlich stellten die USA seit 1991 der Opposition in der Ukraine mehr als 5 Milliarden Dollar zur Verfügung, um ihre «europäischen Bestrebungen» zu verwirklichen. Das bestätigte Victoria Nuland, Bidens Unterstaatssekretärin für politische Angelegenheiten. 2014 während des prowestlichen Umsturzes des „Maidan“ sprachen auf der Bühne zu den Demonstranten die US- Amerikaner John Mc. Cain, Senator Murphy und Victoria Nuland. Sie versprachen ihnen die volle Unterstützung der USA. Diese Bühne teilten sie sich mit Oleh Tyahnybok, dem Neo-Nazi Führer der Svoboda Partei. Inzwischen sprechen alle Indizien und viele Aussagen dafür, dass es diese Ultrarechten waren, die aus der ersten und siebten Etage des Ukraine Hotels auf die Demonstranten geschossen hatten – eine Gewalttat, die vom Westen dem dann gestürzten ukrainischen Präsidenten zur Last gelegt wurde.
Das Reich des Bösen
Seit dem Majdan bildeten Vertreter der USA und der NATO das ukrainische Heer systematisch aus. All dies rechtfertigt natürlich keineswegs den völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands in die Ukraine. Allerdings ist es schon mehr als erstaunlich, dass die USA, die in den letzten Jahrzehnten mehrfach völkerrechtswidrig in andere Länder intervenierten, niemals von solch einem Bann der öffentlichen Meinung belegt wurden. Übrigens war auch der erste Einsatz der deutschen Bundeswehr nach dem zweiten Weltkrieg im Kosovo eindeutig völkerrechtswidrig. Was rechtfertigt das Schweigen, wenn eine imperialistische Macht mehrfach entgegen dem Völkerrecht in fremde Länder interveniert und die einhellig große Empörung, wenn eine andere imperialistische Macht sich dasselbe erlaubt.
Demokratie schützen
Ja, die Demokratie sei der Unterschied, hört man immer wieder, die Nato verteidige die Demokratie in der Ukraine. Dort lebten vor dem Krieg mehr als 40% russisch sprachige Ukrainer. Fast alle von diesen sind inzwischen geflohen. Zurück können sie nicht mehr, weil es dort gefährlich ist, russisch zu sprechen oder zu publizieren. Seleneskyj wurde als Schützling eines Oligarchen gewählt. Mit einer bürgerlichen Demokratie hat das wenig zu tun. Die gesellschaftliche Struktur ist eher der russischen ähnlich.
Die Grenzen unserer Demokratie
Und unsere Demokratie, die gerne als moralischer Maßstab in alle Welt getragen und als Maßstab für andere Länder erhoben wird? Wie ist das z.B. mit der Freiheit der Medien? Für ein Großteil dieser ist das vor allem die Freiheit der Besitzer dieser Medien. Und das sind nicht nur in Deutschland die Reichen, die dort ihre Meinung verbreiten können. Nun gut, es gibt bei uns auch den öffentlich rechtlichen Rundfunk. Und das ist oft schon ein gutes Korrektiv. Doch auch hier gibt es nach unseren Erfahrungen Grenzen des Sag- und Zeigbaren, wenn Bereiche adressiert werden, die den politisch und wirtschaftlich Mächtigen im Land nicht genehm sind.
Und was ist das für eine Demokratie, die es in dem wichtigsten Bereich unseres Lebens, der Wirtschaft, nicht gibt. Gut, es gibt in unserem Land in manchen Bereichen der Wirtschaft Betriebsräte. Und das ist schon ein guter Ansatz, aber von wirklicher Demokratie noch weit entfernt. Außerdem werden in unserer neoliberalen Arbeitswelt die Betriebsräte immer mehr an den Rand gedrängt.
Was man wählen darf
Und die Wahlen? Auch da gibt es Grenzen, wo die Interessen der wirtschaftlich Mächtigen zu stark beeinträchtigt werden. Ein Lehrbeispiel war, als 1970 die Unidad Popular die Wahlen in Chile gewann. Begrenzung der Mieten, eine Agrarreform die die großen Landbesitze an Kleinbauern aufteilt, kostenlose Gesundheitsversorgung, Besteuerung der reichen Villen, Verstaatlichung der Kupferminen und vieles Ähnliche, das war schon zu viel des Guten. Der US-amerikanische CIA plante umgehend mit Teilen des chilenischen Militär ein Ende dieses Spuks. Mit einem Putsch am 11.09.1973 errichtete der General Augusto Pinochet ein Gewaltregime, in dem tausende VertreterInnen der Unitad Polular gefoltert und ermordet wurden. Es soll niemand sagen, das sei bei uns nicht mehr möglich.
Wenn in der Demokratie die Reichen immer reicher werden
Jedenfalls gibt es keinen Grund für, unsere Demokratie als Vorbild für andere zu erheben. Natürlich, die demokratischen Freiheiten, die es in Deutschland gibt, lohnen es unbedingt, diese gegen rechtsradikale Angriffe zu verteidigen. Doch diese Demokratie erlaubt es dem Volk nicht, genügend Einfluss auf Politik und Wirtschaft auszuüben, sodass einerseits die Reichen immer reicher werden und andererseits ein großer Teil der Bevölkerung unter hohen Mieten und wirtschaftlicher Unsicherheit leiden.
Deutschland und Westeuropa haben andere Interessen als die USA
Ein Grund der gegenwärtig weit verbreiteten Frustration ist, dass nach dem Ende der Merkel Ära das spezifische Interesse Deutschlands von der politischen Elite nicht wahrgenommen wurde. Man folgte ganz und gar der US-Politik. Schon sehr früh hatte sich die US-Regierung massiv und mit allen Mitteln gegen die Ostsee Pipeline Nord Stream 2 gestemmt. Sie wollte Russland schwächen und ihr eigenes Fracking Gas in Europa vertreiben.
Doch Russland ist Deutschlands Nachbar. Und wir müssten ein elementares Interesse haben, im Gegensatz zu den USA mit Russland auf Augenhöhe zu verhandeln. Auch wenn Putin ein rechter Diktator ist, wäre es für Deutschland ratsam gewesen, eine eigene Politik der Verhandlungen mit Russland zu führen – im Gegensatz zu den USA, die Russland stets nur schwächen wollten. Auf Deutschland gehen im Fall des Falles die Atombomben zuerst nieder. Und auch der Umbau zu erneuerbaren Energien wäre wirtschaftlich einfacher zu bewerkstelligen gewesen, wenn das billige GAS aus Russland nicht hätte sabotiert werden können. Aber das würde zum Schaden unserer Industrie versäumt.
Auf Augenhöhe verhandeln statt Öl ins Feuer gießen
Die geplante Aufrüstung in Westeuropa unterminiert jedes Vertrauen und erhöht die Angst. Eigene Verhandlungen mit Russland auf Augenhöhe und mit Vertrauen könnten eine Ausweitung des Ukraine-Kriegs stoppen. Gleicher Abstand zu den imperialen Mächten Russland und USA wäre im elementarem Interesse Deutschlands. Nicht weil Putin ein Freund ist, sondern Russland ist unser Nachbar, und es ist besser über gegenseitige Interessen zu verhandeln, statt mit Aufrüstung Öl ins Feuer zu gießen.